Die integrale Perspektive.

Jeder Mensch hat seine eigene Perspektive auf die Welt und das, was in ihr geschieht. Damit verfügt jeder Mensch über eine individuelle Wahrheit. Diese ist ausnahmslos subjektiv und für den Wahrnehmenden die einzige Realität.

Treffen mindestens zwei Menschen aufeinander, gerät die subjektive Wahrnehmung und ihre Richtigkeit in Gefahr. Erst im Abgleich mit der Wahrheit des Anderen und einer Kompromissbildung kann eine Übereinstimmung erlebt werden und damit die Perspektiverweiterung mit der Ausrichtung auf eine gemeinsame Realität.

Auf eine – so genannte – objektive Wahrheit einigen wir Menschen uns durch den Beweis und eine von allen akzeptierte empirische Beweisführung. Auch eine solche objektive Wahrheit ist jedoch nur ein partieller Ausschnitt der Realität.

Auf dieser Grundlage wird deutlich, wie sehr die Wahrheitsfindung von der Perspektive des Schauenden abhängig ist, wie sehr von einer Übereinstimmung mit dem Erleben des Anderen und wie sehr vom allgemeinen Wunsch, die Realität möge beweisbar sein.
Je nach dem, welche Perspektive gerade wichtig ist, um eine Situation zu verstehen, ist eine bestimmte Wahrheit die richtigere – für den Moment.
Je nach dem, wie groß die Komplexität einer Situation ist, kann ein bewusstes Wahrnehmen aller Wahrheiten, deren Vergleich und Integration lösungsdienlich sein. Jeder, an der Situation Beteiligte sieht einen Ausschnitt richtig, aber vermutlich nur einen Teil der Gesamtsituation. Andere Wahrheiten, also andere Perspektiven können die Lösungsfindung sehr häufig bereichern.

Ken Wilber über die integrale Perspektive:

Eine integrale Herangehensweise basiert auf einer grundlegenden Idee: Kein Mensch kann mit seinem Denken 100% falsch liegen. Oder wir könnten sagen, niemand ist schlau genug, um immer falsch zu liegen. Das bedeutet, wenn es um die Entscheidung geht, welche Ansätze, welche Methoden, Epistemologien oder Wege etwas zu wissen korrekt sind, kann die Antwort nur sein: Alle.

Ken Wilber in Marilyn Schlitz/ Tina Hyman (Hrsg.): Integral Medicine: A Noetic Reader (2003)

Für die Beratung bedeutet dies, dass Berater und zu Beratender gemeinsam möglichst viele Perspektiven auf eine Situation einnehmen sollten, um dann die beste Lösung zu finden. Der Berater unterstützt den zu Beratenden dadurch, dass er ihm vielfältige mögliche Perspektiven eröffnet und durch seine eigene ergänzt. Hierzu steht ihm die so genannte integrale Landkarte zur Verfügung, die uns einen bisher kaum wahrgenommenen Perspektivenreichtum eröffnet. Außerdem bedient sich der Berater eines Integralen Methoden Pluralismus (IMP). In diesem werden alle möglichen, einer ganzheitlichen Ausrichtung dienlichen Methoden zur Lösungserarbeitung situativ und stimmig miteinander verknüpft.

Zurück